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Tag der Provenienzforschung 2022

Geschichte und Merkmale ausgewählter wissenschaftlicher Sammlungen

13.04.2022

Bereits zum vierten Mal wird der Tag der Provenienzforschung veranstaltet und wie bereits im vergangenen Jahr beteiligen sich wieder mehrere Sammlungen der Ludwig-Maximilians-Universität München daran. Sie bieten spannende Einblicke in die Arbeit an den institutseigenen Beständen und ihre Einbindung in Forschung und Lehre.

Von Stempeln und KatalogenAlle guten Gaben oder keine Rose ohne Dornen ...Alle guten Gaben oder ein Hauch von Exotik im Archiv ...

1. Von Stempeln und Katalogen – Eine Übersicht der Dokumentation ausgewählter Werke aus der Grafischen Sammlung des Instituts für Kunstgeschichte

Karl Kempter, Antoinette Maget Dominicé, Clarissa Bluhm – alle LMU München

Die 1803 aus privater Hand erworbene und äußerst umfassende Grafische Sammlung verlor zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit der Einführung neuer Medientechniken ihre Funktion als Unterrichtsmaterial. Infolgedessen erlitt sie einen Verlust von rund 3.000 Blättern. Seit den 1960er Jahren wurde wieder begonnen, den Bestand zu erweitern, auszustellen und in verschiedenen Lehrveranstaltungen einzubeziehen: Die Vielfalt der Werke – von denen u.a. Blätter von Lucas Cranach, Lucas van Leyden, Rubens, Lucas Vorsterman, Rembrandt, Marco Pitteri, Piranesi, Joh. Georg. von Dillis hervorzuheben sind – und ihre Itinerarien über mehrere Jahrhunderte hinweg ermöglichen den Studierenden die Erprobung verschiedener kunsthistorischer Herangehensweisen, die sie im Studium kennengelernt haben.

Archivalien

Dazu zählen unter anderem die Identifizierung einzelner Blätter sowie die Erforschung der Verluste und Zugänge. Eine Besonderheit der Grafischen Sammlung ist ihre archivalische Dokumentation, die in großem Umfang an der LMU aufbewahrt wird. Auch wenn die Ankäufe von Franz Leopold Ruedorfer (Geburtsdatum unbekannt–1812) zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht rekonstruiert werden konnten, bieten Inventare, Verzeichnisse und weitere Schriftstücke aus den Archiven des Instituts, der Universitätsbibliothek, des Universitätsarchivs und auch aus dem Bayerischen Hauptstaatsarchiv zahlreiche Hinweise zu den Blättern und ihren Trajektorien innerhalb der Universität.
Dieses Archivmaterial wurde im Laufe der letzten Semester unter Einbindung verschiedener Einrichtungen an der LMU digitalisiert und soll mit der bevorstehenden Migration des Internetauftritts der Grafischen Sammlung demnächst online zugänglich gemacht werden. Durch den Vergleich der schriftlichen Informationen in den Katalogen (Abb. 1) und die fachliche Betrachtung der Blätter können nicht nur diese Werke identifiziert werden, sondern gleichzeitig ihre Wertschätzung durch die Universität und deren (zentralen) Einrichtungen zu verschiedenen Zeitpunkten nachvollzogen werden.

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Abb. 1: Auszug aus dem „Bildnisse-Verzeichnis“ von ca. 1872. Angegeben ist der Dargestellte, der Vorlagen-Künstler, der Stecher und das Blattformat
Standort/Bildrechte: Grafische Sammlung, Institut für Kunstgeschichte, LMU München

Stempel und Schildchen

Mehrere Blätter weisen tatsächlich unterschiedliche Stempel und Etiketten auf, welche die Eingänge der Blätter dokumentieren. Insbesondere vier Stempel sind zu erkennen: Ein violettes Oval mit Doppellinie und der Aufschrift „Kupferstich-Sammlung der Kgl. Universität“ (Lugt L1619), ein Rechteck – schwarz oder rot gedruckt – mit der Angabe „Kunsthist. Seminar der Universität München“ (Lugt L1831) sowie ein Rechteck mit der Inschrift „Kunsthist. Seminar der K. Universität München“. Auf einigen späteren Zugängen ist dagegen das grüne Madonnenbild als Zeichen der LMU angebracht.

Solche Stempel wurden und werden auch heute noch als Identifikationsmerkmal auf der Vorder- oder Rückseite angebracht – manchmal auch auf den Kartons, worauf die Blätter fixiert sind. Sie dienen der späteren Zuordnung und in vielen Fällen ermöglichen sie eine Wiederauffindung der Blätter. Sie verweisen auch auf Blätter, die von der bewahrenden Institution oder Person als besonders wertvoll eingeschätzt wurden. In manchen Fällen führen sie sogar eine Wertsteigerung herbei.
Zwei der Stempel, die auf Werken der Grafischen Sammlung zu erkennen sind, wurden 1921 in dem Nachschlagewerk von Frits Lugt, Les marques de collections et d’estampes, heute unter www.marquesdecollections.fr abrufbar, aufgenommen (Abb. 2 und Abb. 3).

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Abb. 2: Auszug aus der online Datenbank www.marquesdecollections.fr
Standort/Bildrechte: Eigener Screenshot [24.03.2022] / Fondation Custodia, Paris, mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Peter Fuhring

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Abb. 3: Auszug aus der online Datenbank www.marquesdecollections.fr
Standort/Bildrechte: Eigener Screenshot [24.03.2022] / Fondation Custodia, Paris, mit freundlicher Genehmigung von Herrn Dr. Peter Fuhring

Damals für die Druckfassung, heute in der Datenbank, sind die Stempel, die in öffentlichen und privaten Sammlungen verwendet werden, mit Informationen zu deren Abmessungen, Farben, Technik und Platzierung auf den Blättern aufgenommen worden. Im Zuge der Aktualisierung der ersten Auflage im Jahr 1954 und der Digitalisierung im Jahr 2010 sind Präzisierungen, insbesondere zur Sammlungsgeschichte, hinzugefügt worden. Auch wenn die Einträge zur Grafischen Sammlung an der LMU noch sparsam bleiben, gehört ihre Ergänzung zu den weiteren Schritten, die bearbeitet werden. Die Aufnahme in der ersten Auflage der Marques de collections et d’estampes weist aber schon einerseits auf die damalige Bekanntheit der Sammlung über die Grenzen Deutschlands hinweg vor. Andererseits deutet es auch auf eine mögliche Zirkulation bestimmter Blätter zu voriger Zeit hin, die nacherforscht werden sollen.

Unterschiedliche Etiketten in Form kleiner Schildchen und handschriftlich angebrachte Nummern zeugen von den verschiedenen Katalogisierungsvorhaben, die im Laufe der Zeit erfolgt sind. Im Zuge der Digitalisierung des Bestands wurde bei dessen Aufnahme in die Datenbank ergänzend zu den Inventarnummern, die dem physischen/analogen Aufbewahrungssystem entsprechen, die Nummer aus dem Fahrnisverzeichnis der LMU eingepflegt. Diese ersetzen weitere, ältere Inventarnummern: Heute trägt jedes Blatt eine aus Buchstaben und Ziffern bestehende Inventarnummer (rechts unten), die von einer vierstelligen, LMU-spezifischen, Zahl ergänzt wird (mittig unten) (Abb. 4).

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Abb. 4. Guido Reni (Maler), Bernard Picart (Stecher): Erigone et Bachus en Grape de Raisin [Bacchus als Weintraube von Erigone betrachtet], 1725/1733 ¦ Inv. Nr. KR-100 / LMU 6734
Standort/Bildrechte: Grafische Sammlung, Institut für Kunstgeschichte, LMU München

Fazit

Diese Inventarisierungs- und Dokumentationsmaßnahmen dienen der Rekonstruktion der Geschichte dieser besonderen Sammlung und garantieren dank ihrer präzisen Identifikation deren Schutz und sachgemäße Bewahrung. Das von einer Privatperson stammende Konvolut wurde einst primär als Anschauungsmaterial für die Lehre erworben. Bis zum heutigen Tag erfuhren die Bestände eine überaus bewegte Geschichte, welche die Entwicklung der Kunstgeschichte als wissenschaftlicher Disziplin und verschiedene Eingriffe auf Kulturgüter widerspiegelt.

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2. Alle guten Gaben oder keine Rose ohne Dornen …

Dr. Sven Kuttner

Geschenke, pflegte der Konstanzer Erwerbungsleiter Adalbert Kirchgäßner gerne zu sagen, seien die teuerste Zugangsart in Bibliotheken; damit hatte er vor allem den personalintensiven Charakter dieser vorgeblich kostenlosen Gaben im Blick. Geschenke können aber auch eine Herausforderung sein, wenn sie nicht im Buchformat auftauchen, vor allem wenn sie von Kolleginnen und Kollegen auswärtiger Institutionen kommen. Unproblematisch sind dabei weitgehend Mitbringsel vergänglicher Natur, die sich nach den individuellen kulinarischen Vorlieben untereinander aufteilen lassen: Wein aus Israel (recht lecker), Algengebäck aus Japan (gewöhnungsbedürftig, weil rattenscharf), Datteln aus Ägypten (geradezu genial, vor allem im Vergleich zu dem, was in deutschen Supermärkten in der Vorweihnachtszeit zu drohen pflegt), Rakija aus Bulgarien (Vorsicht geboten: Zu im Nu), Rauchwurst aus Polen (aufgrund des Knoblauchgehalts zur Vampirbekämpfung bestens geeignet, ansonsten temporär sozial isolierend) oder Panettone aus Italien (etwas trockene Angelegenheit).

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Schwieriger wird es, wenn die gutgemeinten Gaben der werten Kollegenschaft für die Ewigkeit angelegt sind; für sie gibt es in der Bibliothekshistorischen Sammlung der Universitätsbibliothek einen eigenen Provenienzfundus mit besonderen Highlights. Hierzu zählen beispielsweise: Ein Schlüsselanhänger mit Bumerang aus dem australischen Brisbane, eine Anstecknadel der Bibliothek der Volksuniversität Peking, ein leerer Bilderrahmen aus Japan, ein silbernes Zigarettenetui aus Taipei sowie Volkskunst aus Shanghai. Die Objekte sind mit Besuchsdatum und Herkunftsverweis freilich genau dokumentiert, so dass der Hintergrund ihres Daseins auch von kommenden Generationen nachvollzogen werden kann. Denn schon Walther von der Vogelweide wusste: Schenkens Lohn ist wie die Saat, die aufgeht: Reiche Ernte naht, wenn reichlich ausgestreut man hat ...

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3. Alle guten Gaben oder ein Hauch von Exotik im Archiv …

Dr. Susanne Wanninger

Auch das Universitätsarchiv wird in unregelmäßigen Abständen mit Geschenken beglückt. Da die Archivarinnen und Archivare entweder knausriger sind als die Bibliothekarinnen und Bibliothekare oder einfach darum wissen, dass Dinge, die in einem Archivkarton nicht gut aufgehoben sind, den Kolleginnen und Kollegen selten große Freude bereiten, gelangen Präsente gewöhnlich nur auf Umwegen ins Archiv.

Tatsächlich versammeln sich in einem Teilbestand der Kustodie die unterschiedlichsten Gegenstände, die Repräsentantinnen und Repräsentanten der Ludwig-Maximilians-Universität München von Gästen aus dem In- und Ausland erhalten haben. Diese Aufmerksamkeiten bescheren dem Universitätsarchiv so ausgefallene Provenienzen wie Chile, Kuwait, Südkorea und Taiwan – außerdem viele offene Fragen: Wer wem was wann und warum geschenkt hat, lässt sich in den meisten Fällen nicht mehr exakt klären.

Möglich ist dagegen ein nicht repräsentatives Ranking der Mitbringsel in Universitätskreisen. International am beliebtesten sind demnach Schmuckteller, gefolgt von Plaketten und Wimpeln. Auch Besteckstücke wechselten mehrfach den Besitzer, wobei sich interessanterweise keine Messer darunter befinden.

Daneben sind vier Vasen im Archiv vorhanden; zur Kerze mit Leipzig-Bezug fehlt im Moment allerdings noch der Kerzenhalter. Umgekehrt verhält es sich mit dem Stifthalter der Dong-A University im südkoreanischen Busan: Bisher hat noch niemand daran gedacht auch die Top-Give-aways Kugelschreiber und Bleistift abzugeben…

Aus Genderperspektive erscheinen die Krawatte der Thammasat-Universität in Bangkok sowie die Krawattenspangen der Universität Tokio und der Chung-Hsing-Nationaluniversität im taiwanesischen Taichung heute nicht mehr zeitgemäß als Geschenk. Als geschlechtsneutrale Alternative empfehlen sich Anstecknadeln, die dem Archiv bereits in mehreren Ausführungen aus verschiedenen Weltgegenden vorliegen.

Dem Einfallsreichtum sind bei den Universitätsgeschenken jedoch keine Grenzen gesetzt: Exotenstatus genießt unter anderem das Paar silberne Reitersporen mit großen Sternrädern von der Universidad de Magallanes im südchilenischen Punta Arenas. Zu übertreffen ist das Exotische nur durch das Rätselhafte. Und so viel sei abschließend verraten: Auch diese Kategorie gibt es!

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